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[Raum abdunkeln.]
[Phillip Glass Closing einblenden, kurz stehenlassen.]
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Sprecher 1: |
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Proof by Erasure. Das Leben von John von Neumann. Ein Audio-Feature von der Hörspiel-Werkstatt der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Erste Szene: Budapest
(1903 bis 1921)
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[Musik im ersten Abschnitt ausblenden.]
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Sprecher 1: |
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John von Neumann wurde am 28. Dezember 1903 als Janos in Budapest geboren. Er war der erste von drei Söhnen von Max Neumann und Margaret Kann. Johns Vater Max erhielt 1913 einen erblichen Adelstitel, den er jedoch nicht im Namen führte. John nannte sich als Erwachsener ab den 20er Jahren „von Neumann“.
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Sprecher 2: |
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Um 1900 war Budapest eine rasch wachsende, florierende europäische Hauptstadt. Die Stadt,
in der von Neumann geboren wurde, verfügte über ein hervorragendes Erziehungssystem, eine
weltweit angesehene Universität und drei auf die Bildungselite zugeschnittene Oberschulen.
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Sprecherin: |
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Sein Vater Max war ein erfolgreicher Anwalt, der im Verlauf seiner Karriere zum Direktor einer der
führenden ungarischen Banken wurde. Seine Mutter Margaret führte den Haushalt. Als
Hochzeitsgeschenk bekam sie von ihrem Vater eine 18-Zimmer-Wohnung, in der John mit seinen
Brüdern Michael und Nicholas aufwuchs. Die Familien der Eltern standen sich nahe und John
wurde in eine Großfamilie hinein geboren.
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Sprecher 1: |
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Sie waren nicht-praktizierende Juden. Die großen jüdischen Feiertage behandelten sie, mit
den Worten seines jüngeren Bruders Nicholas, als.. |
Zitator: |
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..unkonfessionelle Familientreffen. |
Sprecher 1: |
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Schon sehr früh interessierte John sich für Mathematik, die Natur der Zahlen und die Logik der
Welt um ihn herum. Er tauschte Witze mit seinem Vater in klassischem Griechisch aus. Auch
konnte er sechsstellige Zahlen im Kopf dividieren. Die Familie Neumann unterhielt Gäste
bisweilen mit Johns Fähigkeit, Telefonbücher auswendig zu lernen. Ein Gast wählte zufällig eine
Seite und Spalte aus dem Telefonbuch. Der junge Johnny las die Spalte mehrere Male, dann gab
er das Buch dem Gast zurück. Er konnte jede Frage beantworten, die ihm gestellt wurde oder
Namen, Adressen und Nummern in der richtigen Reihenfolge vortragen. Als Erwachsener trat er
gegen einen der ersten Computer im Schnellrechnen an und gewann. Sein ganzes Leben
lang besaß er das vollkommene Gedächtnis, die Fähigkeit, ganze Seiten eines Textes nach
einmaligem Lesen auswendig zu zitieren. Seine zweite Frau Klari Dan sagte später in
einem Interview: |
Zitatorin: |
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Er erinnert sich nicht daran, was er heute zu Mittag hatte, aber er erinnert sich an alles auf einer
Seite in einem Buch, das er vor 15 Jahren gelesen hat. |
Sprecher 1: |
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Und er las unglaublich viel: Sein Vater kaufte eine komplette Bücherei aus einem
Räumungsverkauf und John las sie von einem Ende bis zum anderen durch. Besondere Freude
hatte er an der 44-bändigen Ausgabe der „Allgemeinen Geschichte“ des Deutschen Wilhelm
Oncken. Für den Rest seines Lebens war von Neumann in der Lage, sich im Gespräch mit
Historikern über so unterschiedliche Themen wie das Byzantinische Reich oder die frühe
Geschichte Lateinamerikas zu behaupten. |
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[Musik einblenden: Klavier, Tonleiter.]
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Sprecher 2: |
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Manchmal brachte ihn seine Vorliebe fürs Lesen in Schwierigkeiten. Während
des Klavierunterrichts, den die Brüder erhielten, wiederholte Jancsi (wie er genannt wurde)
Tonleitern immer und immer wieder. Die Musik, die er eigentlich spielen sollte, ignorierte er dabei
vollkommen. Sein Bruder Nicholas erinnert sich: |
Zitator: |
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Es stellte sich heraus, daß er ein Buch auf dem Notenständer hatte und es las - aber, um seine Ruhe
zu haben, dabei weiter die Tonleitern spielte. |
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[Musik aus.]
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Sprecherin: |
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Max Neumann bemerkte die große Begabung seines Sohnes früh. Beide Eltern ermutigten ihn
und unterstützten jede seiner Interessen, waren aber aufmerksam, John nicht unter Druck zu
setzen. So entwickelte von Neumann nicht nur einen ausgeprägten Intellekt, sondern auch das,
was viele Menschen später eine liebenswerte Persönlichkeit nannten. |
Sprecher 1: |
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John und seine zwei Brüder besuchten das Lutherische Gymnasium, weil es, so Nicholas: |
Zitator: |
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„...die höchsten akademischen Standards in Budapest hatte“. |
Sprecher 1: |
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Obwohl sie Extra-Unterrichtsstunden in Hebräisch hatten, beherrschten sie nie wirklich die
Schrift. Neben Handschrift, Sport und Musik war dies auch das einzige Fach, indem John nicht
durch Höchstleistungen auffiel. Wie seine Brüder erhielt er noch vor seinem sechsten
Lebensjahr Französisch- und Deutschunterricht.
Mit Italienisch fing er wenig später an, ebenso mit Englisch. Dennoch behielt er sein Leben lang
einen starken ungarischen Akzent. Andere Fächer fielen ihm leicht: Sein Bruder erinnert sich,
daß John sich jeden Abend nur für ein paar Minuten die Hausaufgaben für den nächsten Tag
ansah und dann die Bücher beiseite warf. Trotz dieses Mangels an Vorbereitung konnte er sich
im Unterricht genauso kenntnisreich beteiligen, als hätte er Stunden mit Lernen zugebracht. |
Sprecher 2: |
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Noch vor seinem Abitur wurde er von einem Mathematiker der Budapester
Universität unterrichtet. Seine erste Veröffentlichung hatte er 1922, im Alter von 17, in der
Zeitschrift der Deutschen Mathematischen Gesellschaft über „die Lage der Nullstellen
gewisser Minimalpolynome und das Problem des transfiniten Durchmessers“. |
Sprecherin: |
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Mitten in Johns Schulzeit endete der Erste Weltkrieg und das Kaiserreich brach zusammen. Ein
kommunistisches Regime griff für kurze Zeit nach der Macht. Die von Neumanns verließen nach
drei Monaten das Land, kehrten aber drei Wochen später zurück, nachdem das Regime gestürzt
war. Trotz der kurzen Zeit sollte dies bei John ein lebenslanges Mißtrauen gegenüber dem
Kommunismus hinterlassen. |
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[Musik: Children's Song No. 1
während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
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Zweite Szene: ex ungue leonem
(1921 bis 1931)
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Sprecher 1: |
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Nach Johns Matura im Juni 1921 mußte er ein geeignetes Studienfach wählen. Sein
praktisch veranlagter Vater ermutigte ihn in der Wahl eines Studiums zum Chemieingenieur,
obwohl John nur wenig Interesse an Chemie oder Ingenieurwesen hatte. Zu dieser Zeit war
Chemie-Ingenieur ein gängiger Karriereweg, der fast immer ein gutes Leben garantierte.
So begann von Neumann einen Weg, der teilweise von seinem Vater geplant war. Er verbrachte
zwei Jahre in Berlin in einem Chemie-Programm. Danach absolvierte er das Eintrittsexamen an
der berühmten Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, an der 1895 seinem
späteren Kollegen Albert Einstein der Zugang zunächst verwehrt worden war. |
Sprecher 2: |
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Es war klar, daß John, wenn er eine mathematische Karriere anstrebte, Ungarn dauerhaft
verlassen mußte. Die Heimat der fortgeschrittenen Mathematik war Deutschland, besonders
Berlin und Göttingen, wo David Hilbert großen Einfluß hatte.
Während er gleichzeitig Chemieingenieur in Zürich studierte, promovierte er in Mathematik an
der Universität von Budapest. |
Sprecher 1: |
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Er bekam hervorragende Noten in den mathematischen Prüfungen, obwohl er an keinem einzigen Kurs teilgenommen hatte. 1926 erhielt von Neumann sein Diplom als Chemieingenieur der ETH Zürich. Seinem Interesse für Mathematik folgend, hielt er Kontakt mit den Mathematikprofessoren Hermann Weyl und George Polya, die beide in Zürich waren. Er übernahm noch als Student sogar einen von Weyls Kursen, als dieser für eine Zeit von Zürich fort mußte. George Polya wird später sagen: |
Zitator: |
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Johnny war der einzige Student, vor dem ich jemals Angst hatte. Wenn ich während einer Vorlesung
ein ungelöstes Problem erwähnte, standen die Chancen gut, daß er nach der Vorlesung mit
einer vollständigen Lösung zu mir kam, die er auf einem Stück Papier hingekritzelt hatte. |
Sprecher 1: |
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Im gleichen Jahr, 1926, erhielt von Neumann auch seinen Doktortitel in Mathematik an der
Universität Budapest mit einer Dissertation summa cum laude über Mengentheorie. Bereits
1922, mit 17 Jahren, hatte er eine erste Fassung dieser Arbeit fertiggestellt. Herbert Fraenkel
erhielt dieses Manuskript und erinnert sich in einem Brief: |
Zitator: |
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Um 1922 - damals war ich Professor ander Universität Marburg - erhielt ich ein langes Manuskript von
einem mir unbekannten Autor mit dem Titel „Die Axiomatisierung der Mengenlehre“. Ich wurde
um meine Meinung gebeten, da die Arbeit unverständlich erschien. Ich behaupte nicht, daß ich
alles verstand, aber doch genug, um zu sehen, daß es sich um eine ganz außerordentliche
Arbeit handelte und um darin ex ungue leonem zu erkennen. |
Sprecherin: |
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Ex ungue leonem - an seinen Klauen erkennt man den Löwen. Das war es, was Daniel Bernoulli
zweieinhalb Jahrhunderte zuvor über Isaac Newton gesagt hatte. |
Sprecher 2: |
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Nach 1926 begann er an der Mathematisierung der Quantenmechanik zu arbeiten, die ihren
Namen erst im Jahr davor erhalten hatte. Die akademische Welt war zu dieser Zeit gespalten in
Befürworter und Gegner der Göttinger Physiker um Werner Heisenberg, Max Born und Pascual
Jordan. Die Vertreter der konkurrierenden Theorien mißbilligten den jeweils anderenAnsatz und
bestanden auf der Überlegenheit ihrer eigenen Theorie. 1926 erschien von Neumann in der
Szene und brachte die Theorie der Quantenmechanik vorwärts. Er wollte herausfinden, was beiden konkurrierenden Theorien, Wellenmechanik
und Matrizenmechanik, gemeinsam war. Seine Arbeiten brachten viele Mathematiker auf die
Seite der jungen Disziplin. Ohne diese mathematische Formalisierung wäre die
Quantenmechanik wohl kaum so rasch vorangekommen. Von Neumanns Vorarbeiten wurden
später durch die Modelle von Paul Dirac abgelöst. |
Sprecher 1: |
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Nach seiner Arbeit an der Formalisierung der Quantenmechanik arbeitete er intensiv für verschiedene akademische Konferenzen und Kolloquien. Er veröffentlichte in dieser Zeit ungefähr einen mathematischen Aufsatz pro Monat. Ende 1929, mit knapp 26 Jahren, stand sein Name unter 32 Veröffentlichungen, alle in deutscher Sprache. Jede war in einem logischen und exakten Stil verfaßt, so daß andere Mathematiker seine Ideen in ihre Arbeit einbinden konnten. Bei Konferenzen und Seminaren versuchte von Neumann stets, ideologischen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Häufig vermied er ein Streitgespräch mit einem seiner diskussionsfreudigen Kollegen, indem er Witze oder Geschichten erzählte. Oder erbrachte einige interessante Fakten über alte Geschichte auf, um das Thema zu wechseln. |
Sprecherin: |
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Von Neumann war nun ein aufsteigender Stern in der akademischen Welt. Er war ein
junger Mann, der vorwärts kommen wollte. Im Herbst 1927 entschloß er sich, eine Stelle als
Privatdozent an der Berliner Universität anzunehmen. Er war der jüngste Privatdozent, der dort
jemals berufen wurde. |
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[Musik: Children's Song No. 3
während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
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Dritte Szene: Princeton
(1931 bis 1938)
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Sprecher 2: |
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Die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts sahen die europäische Vorherrschaft im Bereich der wissenschaftlichen Theorien auf ihrem Höchststand und ihrem Wendepunkt. Politische Spannungen verschärften sich; der Antisemitismus trieb die jüdischen Akademiker Zentral-Europas außer Landes. Und die Vereinigten Staaten nutzten zunehmend ihre wirtschaftliche Macht, um ihre intellektuelle und kulturelle Vormachtstellung zu etablieren. Ein Symbol dieser Entwicklung war die Einrichtung des Institute of Advanced Study in Princeton 1930. Am Ende des Jahrzehnts sollte Princeton, und nicht mehr Göttingen, das weltweite Zentrum für Mathematik und theoretische Physik sein. |
Sprecherin: |
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Im Herbst 1929 wurde von Neumann eingeladen, nach Princeton zu kommen und Vorträge zur Quantentheorie zu halten. Er akzeptierte und stellte schon nach kurzem Aufenthalt fest, daß dieses Land und dieses Institut wie maßgeschneidert zu ihm paßten. |
Sprecher 1: |
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Dennoch wollte er sich nichtvollständig amerikanisieren lassen und pflegte seinen ungarischen Akzent. Goldstine vermutete: |
Zitator: |
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Er sprach Integer wie Integher aus, aber ab und an sagte er es richtig. Wenn er es merkte, korrigierte er sich schnell und sagte es wieder auf seine ihm eigene Art. |
Sprecher 1: |
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Von Neumann lehrte zwischen 1930 und 1933 mehrmals in Princeton. Obwohl das Lehren nicht seine Stärke war, tat er es gern. Es inspirierte ihn und er sprach gewöhnlich ohne Notizen. Weniger talentierte Studenten konnten seinen beweglichen Gedankengängen nur schwer folgen. Er war berüchtigt dafür, Gleichungen in einem atemberaubendenTempo an die Tafel zu schreiben und dann auszuwischen, bevor die Studenten sie abschreiben konnten. Bei einer dieser Gelegenheiten machte ein Kollege eine oft zitierte Bemerkung. Er wartete bis John seinen Beweis beendet hatte und sagte dann: |
O-Zitator: |
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I see. Proof by erasure. |
Sprecher 1: |
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Er wurde 1933, im Alter von 29 Jahren, zum Professor auf Lebenszeit in Princeton berufen. Er erhielt das für damalige Zeiten astronomische Jahresgehalt von 10.000 Dollar. John war der Youngster der ehrwürdigen Professorenrunde. Einer seiner Kollegen erinnert sich: |
O-Zitator: |
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He was so young that most people who saw him in the halls mistook him for a graduate student. |
Sprecher 2: |
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Er arbeitete mit dem damals bereits weltweit berühmten Professor Albert Einstein im gleichen Gebäude. Sie waren Kollegen, jedoch nicht befreundet. Ein Mitglied des Instituts sagte: |
O-Zitator: |
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Einstein’s mind was slow and contemplative. He would think about something for years. Johnny’s mind was just the opposite. It was lightning quick stunningly fast. If you gave him a problem he either solved it right away or not at all. If he had to think about it a long time and it bored him, his interest would begin to wander. And Johnny’s mind would not shine unless whatever he was working on had his undivided attention. |
Sprecherin: |
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Von Neumann unternahm in diesem Zeitraum auch einige Vortragsreisen durch Europa. Er entschloß sich während eines Besuches in Budapest 1930, Mariette Kovesi zu heiraten, die er seit seiner Kindheit kannte. Ihre Flitterwochen verbrachten sie auf einer Kreuzfahrt im Atlantik nach New York. Leider war der größte Teil der Reise von Mariettes unerwarteter Seekrankheit überschattet. Sie bekamen 1935 eine Tochter, Marina, die heute als angesehene Wirtschaftswissenschaftlerin in den USA arbeitet. Von Neumann liebte seine Tochter, half aber weder bei ihrer Erziehung noch im Haushalt, beides sah er als Frauenarbeit. Herbert York, ein späterer Kollege, erzählt über John und sein Verhältnis zu Kindern: |
Zitator: |
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Von Neumann war außerordentlich intelligent und an allem interessiert... Meine drei und fünf Jahre alten Töchter liebten es, auf ihm herumzuklettern, wenn er uns zu Hause besuchte. Er sah aus wie ein Cherubim und benahm sich manchmal aus so. |
Sprecher 1: |
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Mittlerweile war von Neumann durch das breite Spektrum seiner Interessen und die Fruchtbarkeit seines Verstandes innerhalb seiner Disziplin weltberühmt geworden. |
Zitator: |
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Mathematiker beweisen, was sie können, von Neumann beweist, was er will. |
Sprecherin: |
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Seinen amerikanischen Freunden bekannt als Johnny, war er gesellig und trank gerne und viel. Im Auto war er ein aggressiver und rücksichtsloser Fahrer, was ihn ungefähr einen Wagen pro Jahr kostete. Eine besonders betroffene Kreuzung in Princeton wurde daraufhin Von Neumann Corner genannt. Er wurde regelmäßig wegen zu schnellen Fahrens festgenommen. Nach einem seiner Unfälle hatte er folgende Erklärung parat: |
O-Zitator: |
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I was proceeding down the road. The trees on the right were passing me in an orderly fashion at 60 miles an hour. Suddenly one of them stepped out into my path. Boom! |
Sprecher 2: |
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John hatte Spaß an anstößigen Witzen und den Ruf, die Beine hübscher Frauen anzustarren. Dagegen wehrten sich die Damen, indem sie ihre Schreibtische mit Sichtschutzpappen verbarrikadierten. Sein gemütliches Heim in Princeton war Mittelpunkt der trinkfesten akademischen Kreise auf den legendären Princeton-Parties. Ein Teilnehmer erinnert sich daran: |
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[Atmo: Party, Stimmengewirr, Gläserklirren, Eiswürfel etc.]
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[Musik: A Wonderful Guy]
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O-Zitator: |
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They were unbelievable. The stories you read about those parties, they’re not exaggerations. Von Neumann was a fantastically witty person, a lusty person. He knew how to have a good time. |
Sprecherin: |
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Eine typische Angewohnheit von Neumanns führte auf vielen dieser Parties zu einigen verschütteten Cocktails: Wenn man ihm ein Problem stellte, während er stand, begann Johnny stets in einem gewissen Stadium des Denkens von einem Fuß auf den anderen zutänzeln. Er starrte dabei oft zur Decke und murmelte vor sich hin oder brummte. |
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[Atmo und Musik aus.]
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Sprecher 1: |
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Bei einer dieser Gelegenheiten stellte ihm jemand das Fliegenrätsel: |
Zitator: |
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Zwei Radfahrer sind 20 Meilen voneinander entfernt und fahren beide mit einer Geschwindigkeit von 10 Meilen pro Stunde aufeinander zu. Gleichzeitig startet eine Fliege mit 15 Meilen pro Stunde vom Vorderrad des ersten Fahrrades. Landet sie auf dem Vorderrad des zweiten Fahrrades, dreht sie sich sofort herum und fliegt wieder zurück usw. Die Frage ist: Wie groß ist die Gesamtstrecke, die die Fliege zurücklegt, bevor sie zwischen den Vorderrädern zerquetscht wird? |
Sprecher 1: |
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Als man Johnny die Frage stellte, begann er wie üblich zu tänzeln und antwortete sofort: |
O-Zitator: |
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15 Miles. |
Sprecher 1: |
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Der Fragesteller war enttäuscht: "Oh, Sie kennen den Trick bereits?" Johnny blickte ihn erstaunt an: |
O-Zitator: |
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What do you mean, trick? I just added up the infinite series. |
Sprecher 1: |
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Als Johnny später mit dieser Geschichte aufgezogen wurde, legte er stets Wert darauf, daß die ihm genannten Zahlen nicht derart einfach gewesen wären... |
Sprecher 2: |
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Auf seinen Parties diskutierte von Neumann auch gern über Geschichte. Eines Nachts war ein berühmter Experte auf dem Gebiet der Byzantinischen Geschichte zu Gast. Ein anderer Teilnehmer dieser Party erinnert sich: |
O-Zitator: |
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Johnny and the professor went into a corner and began discussing some obscure facet of Byzantine history. Then an argument arose concerning a date. Johnny insisted it was this, the professor that. Finally, they consulted a reference text and discovered that Johnny was in the right. A few weeks later the professor was again invited to the von Neumann house. He called Mrs. von
Neumann and said jokingly: "I'll come, but only if Johnny promises not to discuss Byzantine history. Everybody thinks I am the world's greatest expert onthe subject and I want them to keep thinking that." |
Sprecherin: |
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In seinem Privatleben war von Neumann oft distanziert, besessen von seinen Gedanken und seiner Arbeit. Der Graben zwischen seiner lebhaften 26-jährigen Frau Mariette und dem nun 31-jährigen, respektablen Akademiker wuchs. Sie trennten sich 1936. Mariette ging wieder nach Budapest und von Neumann brach erneut nach Europa zu mehreren Veranstaltungen auf. Die Scheidung erfolgte im Jahr darauf. Die gemeinsame Tochter Marina blieb bei Mariette. Schon kurze Zeit später lernte John Klari Dan in Budapest kennen und sie heirateten 1938. |
Sprecher 1: |
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Seine frühere Schlankheit hatte einer gemütlichen Rundlichkeit Platz gemacht. Sein Haar befand sich auf dem Rückzug. Er achtete nicht besonders auf seine Gesundheit, wenn er auch nicht rauchte. Seine Frau Klari sagte später einmal: |
Zitatorin: |
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Er kann alles zählen, bis auf Kalorien. Im Gegensatz zu vielen bedeutenden Mathematikern ist er ein begabter Rechner. Nur mit einem Stift bewaffnet, kann er leicht mit einer Rechenmaschine mithalten. Wenn er jedoch seine Kalorien zählen soll, macht er immer Fehler zu seinen Gunsten. |
Sprecher 1: |
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Seine Aufmerksamkeit für Ergebnisse anderer Mathematiker war erstaunlich. Schon um 1928 hatte ihn ein Aufsatz des Mathematikers Armand Borel über Minimax-Eigenschaften zu Ideen geführt, die später auf einen seiner originellsten Entwürfe hinausliefen, die Spieltheorie. Von Neumann bewies das Minimax-Theorem. Schrittweise erweiterte er seine Arbeit und mit Co-Autor Oskar Morgenstern schrieb er 1944 das zum Klassiker gewordene Buch The Theory of Games and Economic Behavior. Die Spieltheorie wurde schon früher studiert, aber nach von Neumann und Morgenstern erhielt sie eine weitaus größere Aufmerksamkeit. Sie wird seitdem in Wirtschaftswissenschaft, Recht, Politikwissenschaft und Soziologie angewandt. |
Sprecher 2: |
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In ihrem Buch nahmen von Neumann und Morgenstern an, daß jede ökonomische Situation sich als Ergebnis eines Spiels zwischen zwei oder mehr Spielern auffassen läßt. Hat sich John von diesen spieltheoretischen Ideen auch in seinem politischen Denken und Wirken leiten lassen? Der Weg, den er im Folgenden einschlagen sollte, läßt dies vermuten. Er scheint das Undenkbare, den atomaren Angriff ohne Tempoverlust, als spieltheoretische Herausforderung verstanden zu haben. |
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[Musik: Children’s Song No. 4, während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Absatz ausblenden.]
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Vierte Szene: Los Alamos (ab 1938) |
Sprecher 1: |
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Präsident Roosevelt vergab Anfang 1941 mit einem Budget von 2 Milliarden US-Dollar den Auftrag, die Atombombe zu entwickeln. In diesem Frühstadium wurde der nun eingebürgerte John noch nicht hinzugezogen, wohl aber seine drei ungarischen Landsmänner Eugene Wigner, Leo Szilard und Edward Teller. Trotz seiner drei bestehenden Full-Time-Jobs trat von Neumann im September 1943 eine Beraterstellung beim Manhattan-Projekt in Los Alamos an, als dessen Direktor später Robert Oppenheimer berufen wurde. |
Sprecher 2: |
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Die Wissenschaftler waren in Los Alamos daran gewöhnt, wissenschaftliche Experimente durchzuführen, was sich aber bei der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen als schwierig erwies. Sie benötigten daher eine Möglichkeit vorherzusagen, was bei diesen komplexen Abläufen passieren würde, ohne sie durchzuführen. Von Neumann entwickelte als Mitglied des Teams neue mathematische Modelle und setzte seine Fähigkeiten auf jeder Ebene ein. Herman Goldstine faßte später die Gründe zusammen, weswegen John von Neumann genau der richtige Mann für diese Arbeit war: |
Zitator: |
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Anders als viele Vertreter der angewandten Mathematik, die nur einige Fragen bearbeiten wollen, die ihnen ein Physiker vorgelegt hat, ging von Neumann zurück bis zum Grundphänomen. Er besaß die wirklich bemerkenswerte Fähigkeit, blitzschnell Berechnungen im Kopf durchzuführen, besonders wenn er Größenordnungen grob überschlug. |
Sprecher 2:
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Es gab zwei miteinander konkurrierende Möglichkeiten für die geplante Atombombe, eine mit Uran als Spaltmaterial, die andere mit Plutonium. Obwohl von Neumann zunächst nicht an der Implosionstechnik der Plutonium-Bombe arbeitete, war er es, der dafür sorgte, daß sie funktionierte. Er entwickelte die Implosionslinse der Nagasaki-Bombe.
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Sprecher 1:
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Neben seinen Berechnungen für die Implosionsbombe und ihre geeignete Abwurfhöhe, war sein Hauptbeitrag die Mathematisierung der gesamten Entwicklung. Präsident Truman sagte über sein Wirken in Los Alamos anläßlich der Verleihung der Verdienstmedaille an John im Oktober 1946:
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Zitator:
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Er war primär verantwortlich für Grundlagenforschungen der Marine der Vereinigten Staaten über den wirksamen Gebrauch von hochexplosiven Stoffen, was zu der Entdeckung eines neuen Artillerieprinzips für Offensivaktionen geführt hat, und, wie sich bereits herausgestellt hat, die Effektivität der Luftstreitkräfte bei den Bombenangriffen auf Japan verstärkt hat.
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Sprecherin:
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Als führender Mathematiker von Los Alamos war er zugleich auch interessiert an politischem Einfluß: Er wurde Mitglied des Target Committee in Washington. Hier war er beteiligt an der Entscheidung, welche japanischen Städte als Ziele in Frage kamen.
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Sprecher 1:
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Aber von Neumann war kein unreflektierter Militarist. Er glaubte, daß die einzige Möglichkeit für die Welt, einen destruktiven Konflikt zu verhindern, atomare Abschreckung war. Er war entschlossen, das Land, das ihn aufgenommen hatte und dem er dienen wollte, mit so viel Waffengewalt wie möglich zu verteidigen.
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[Musik: Glass Pruit Igoe ab 1:30 min einblenden.]
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Zitator:
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Ein Mensch - was noch ganz ungefährlich -
erklärt die Quanten (schwer erklärlich!).
Ein zweiter, der das All durchspäht,
erforscht die Relativität.
Ein dritter nimmt, noch harmlos, an,
Geheimnis stecke im Uran.
Ein vierter ist nicht fernzuhalten
von dem Gedanken, kernzuspalten.
Ein fünfter - reine Wissenschaft! -
entfesselt der Atome Kraft.
Ein sechster, auch noch bonafidlich,
will die verwerten, doch nur friedlich.
Unschuldig wirken sie zusammen:
Wen dürften, einzeln, wir verdammen?
Ist's nicht der siebte erst und achte,
der Bomben dachte und dann machte?
Ist's nicht der Böseste der Bösen,
der's dann gewagt, sie auszulösen?
Den Teufel wird man nie erwischen:
Er steckt von Anfang an dazwischen.
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[Musik Ende und 10 Sekunden Atmo Wind einblenden.]
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Fünfte Szene: Rechenmaschinen |
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[Musik: Glass Vessels einblenden.]
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Sprecher 2:
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Der Zweite Weltkrieg war auch ein Wendepunkt in der Entwicklung der Computertechnologie. Der Umschwung begann in den 30ern und frühen 40er Jahren mit mehreren Projekten, die das Ziel hatten, schnelle und programmgesteuerte Rechenmaschinen für wissenschaftliche Anwendungen zu bauen. Der Krieg schuf den Anreiz, die Rechnerausstattung zu verbessern. Die neuen Maschinen waren nützlich bei der Vorbereitung ballistischer Tabellen, beim Flugzeug- und Atomwaffenbau, bei der Raketenkontrolle und Logistik. Die US-Regierung begann, große Mittel für die Entwicklung zur Verfügung zu stellen.
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[Musik aus.]
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Sprecher 1:
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Unter anderem förderte die Regierung das ENIAC-Projekt ab November 1945. ENIAC sollte für mathematische Berechnungen im Wasserstoff-Bomben-Projekt eingesetzt werden. Der Mathematiker und damalige Leutnant Herman Goldstine arbeitete zu dieser Zeit bereits an dem Prototyp. Er und John trafen sich 1944 auf einem Bahnsteig in Aberdeen:
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Sprecher 1:
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Ich war geradezu verwegen, als ich auf diese weltbekannte Persönlichkeit zuging, mich vorstellte und zu reden begann. Zu meinem Glück war von Neumann ein warmer, freundlicher Mensch, der sein Bestes tat, damit sich andere in seiner Gegenwart wohlfühlten. Die Unterhaltung wandte sich bald meiner Arbeit zu. Als es von Neumann klar wurde, daß ich mit der Entwicklung eines Elektronenrechners zu tun hatte, der in einer Sekunde 333 Multiplikationen ausführen kann, veränderte sich das ganze Klima, und aus unserer gutgelaunten Unterhaltung wurde eine Art mündlicher Doktorprüfung in Mathematik.
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Zitator:
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Von Neumanns Interesse war mehr als nur geweckt. Seine Erfahrungen mit mathematischen Modellen und Rechenwerkzeugen, die er in Los Alamos erworben hatte, gaben ihm die benötigten Grundlagen, um die Entwicklung des Computers voranzubringen. Seine einflußreichen politischen Verbindungen und sein Ruf als mathematisches Genie halfen ihm, Geldmittel und Ressourcen einzuwerben, um einen modernen Computer zu entwickeln. Dies war in den vierziger Jahren ein schwieriges Unterfangen. Die meisten Leute sahen in ihnen nur große Rechenmaschinen. Er sagte 1949 einmal:
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O-Zitator:
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It would appear we have reached the limits of what it is possible to achieve with computer technology, although one should be careful with such statements; they tend to sound pretty silly in five years.
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Sprecher 1:
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Seine Tochter sagte 1983 zu einem Journalisten:
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Zitatorin:
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Wenn ihm irgendjemand gesagt hätte, daß die Gesellschaft, für die ich arbeite, General Motors, jedes Jahr buchstäblich Millionen von Computern produziert und einsetzt, wäre er, glaube ich, erstaunt gewesen. Die Vorstellung, daß Erwachsene gegen Computer als Jugendverderber wettern, hätte ihn wohl amüsiert und der verspielten, kindlichen Seite seiner Persönlichkeit vielleicht insgeheim Spaß bereitet.
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Sprecher 1:
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Im Juni 1952 wurde von Neumanns Computer am Institut in Princeton offiziell eingeweiht. Die Architektur dieser Maschine sollte der Standard für alle folgenden kommerziellen Rechner werden. Als Demonstration seines Potentials wurde als mathematisches Problem Kummers Vermutung aus dem Bereich der Primzahltheorie gewählt. Aus diesem Anlaß gab John eine seiner immer gut besuchten Parties. Er überraschte seine Gäste mit einem maßstäblichen Modell des Computers - als Eisskulptur.
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Sprecher 2:
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Er wollte Computer in allen Wissenschaftsgebieten einsetzen, um dort mehr Logik und Präzision zu verankern. Mit seinem 1945 verfaßten, etwa 100-seitigem Beitrag First Draft of a Report on the EDVAC wurde er Namensgeber der von Neumannschen Computerarchitektur. Der Mathematiker Herman Goldstine meinte später, dieser Bericht sei…
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Zitator:
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…das wichtigste Dokument, das jemals über Computer und deren Funktion geschrieben worden ist.
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Sprecher 1:
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In den 50ern wurde von Neumann unter anderem als Berater von IBM angestellt, um geplante und tatsächliche Fortschritte in Projekten zu überprüfen. Einmal die Woche hielt von Neumann Hof in der Madison Avenue in New York. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde er 1954 mit dem FORTRAN-Konzept konfrontiert. John Backus erinnert sich, daß von Neumann unbeeindruckt war und daß er gefragt habe:
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O-Zitator:
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Why would you want more than machine language?
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Sprecher 1:
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Frank Beckmann, der ebenfalls anwesend war, erinnert sich, daß von Neumann das gesamte Konzept verwarf als…
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O-Zitator:
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…but an application of the idea of Turing's Shortcode.
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Sprecher 1:
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Donald Gilles, einer seiner Studenten in Princeton, erinnert sich, daß Graduierte daran gewöhnt waren, in frühe Maschinen Assembler-Programme im Binärformat einzugeben. Er nahm sich die Zeit, einen Assembler zu programmieren, aber als von Neumann das herausfand, wurde er sehr wütend und sagte:
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O-Zitator:
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It is a waste of a valuable scientific computing instrument to use it to do clerical work.
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[Musik: Children’s Song No. 4 kurz stehenlassen und während des nächsten Absatzes ausblenden.]
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Sechste Szene: Georgetown, Washington, D.C. |
Sprecher 1:
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Neben dem Interesse an Computern dauerte auch seine wissenschaftliche Forschung an Nuklearwaffen nach Kriegsende an. 1946 setzte John von Neumann seinen Einfluß bei einer Anhörung des Senatskomitees für Atomenergie ein. Er erreichte, daß 500 Millionen Dollar für die Fortführung der Atomforschung angewiesen wurden. Er begründete seine Teilnahme an den Forschungen mit seinen aus der Jugendzeit herrührenden politischen Ansichten:
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O-Zitator:
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I am violently anti-Communist, and I was probably a good deal more militaristic than most… My opinions have been violently opposed to Marxism ever since I remember, and quite in particular since I had about a three-month taste of it in Hungary in 1919.
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Sprecher 1:
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Das Life Magazine berichtete 1957, daß er ein Befürworter einer präventiven Kriegsführung gegen die Kommunisten gewesen sei:
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O-Zitator:
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If you say why not bomb them (the Russians) tomorrow, I say why not today? If you say today at five o'clock, I say why not one o'clock?
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Sprecher 2:
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Dieser vielzitierte Ausspruch untermauerte von Neumanns Ruf als Falke und Kriegstreiber. Freunde des Mathematikers verglichen sein Wirken im Beraterstab der Regierung jedoch nicht mit dem Verhalten eines Falken. Eher sei er einer Eule gleichgekommen, die aber bekanntlich nicht nur weise sei, sondern auch Krallen zeigen könne.
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Sprecher 1:
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Wegen seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten und seiner Vergangenheit im Atomwaffenentwurf, ist es nicht überraschend, daß er 1952 zum Mitglied des General Advisor Committee der Atomic Energy Commission berufen wurde. Präsident Truman unterstützte diesen Antrag, vermutlich auch um die Mauern zur scientific community abzubauen, die infolge der berüchtigten Sicherheitsanhörung von Oppenheimer entstanden waren. Von Neumann mochte Oppenheimer zwar persönlich, teilte jedoch nur wenige seiner Ansichten über Politik oder die Entwicklung von Atomwaffen. Er hielt seine politischen Grundsätze für unwissenschaftlich und bedauerlich. Trotzdem sagte er 1954 zugunsten von Oppenheimer aus und organisierte Unterstützer.
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Sprecher 2:
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Während der 50er Jahre war von Neumann besorgt über den Aufbau eines nuklearen Waffenarsenals in der Sowjetunion und lenkte als einer der Ersten seine Aufmerksamkeit auf die Produktion von Raketen. Er wurde daraufhin zum Vorsitzenden des sogenannten von-Neumann-Komitees für nukleare Raketenprogramme und Interkontinentalraketen berufen.
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Sprecher 1:
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Der Vorsitzende der Atomic Energy Commission, Lewis Strauss, erinnert sich an die Arbeit in dem Komitee:
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Zitator:
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John hatte die unschätzbare Fähigkeit, die schwierigsten Probleme zu nehmen und in ihre Komponenten zu zerlegen, woraufhin alles ganz wunderbar einfach aussah, und wir alle wunderten uns anschließend, warum wir die Antwort nicht ebenfalls deutlich gesehen hatten.
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Sprecherin:
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Von Neumann war wissenschaftlicher Berater auf vielen Gebieten. 1954, auf dem Höhepunkt seiner Beratungstätigkeiten, war er bei über zwanzig Regierungseinrichtungen und Privatfirmen unter Vertrag. Aus diesem Grunde zog er mit seiner Frau Klari nach Georgetown in Washington, D.C. Sie berichtet 1955 von ihrem Leben dort:
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Zitatorin:
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Tagsüber arbeitet Johnny in seinem Büro bei der Atomenergiekommission. Abends kommen Wissenschaftler aus den vielen Gebieten, die ihn interessieren, zu Besuch. Ich bin seine Nachtsekretärin. Ich unterhalte seine Besucher und lasse sie dann zu ihm durch, einen nach dem anderen. Dann kommt die Stunde, in der man normalerweise schlafen geht. Auch Johnny geht schlafen. Doch für ihn ist Schlaf Teil seiner Arbeit. Er glaubt, daß eine Menge Mathematik unterbewußt getan wird. Er geht heiter mit einem ungelösten Problem ins Bett und wacht um drei Uhr morgens mit der Antwort auf. Sein Verstand hat weitergearbeitet, während er schlief. Dann geht er an seinen Schreibtisch und ruft seine Mitarbeiter an. Eine Anforderung, die er an einen Mitarbeiter stellt, ist, daß er es nicht übel nimmt, mitten in der Nacht geweckt zu werden. Johnny arbeitet dann bis zum Morgen... und geht dann munter wie eine Lerche in sein Büro.
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Sprecherin:
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John war erst wenige Monate Mitglied der Atomic Energy Commission, als die Schmerzen in der linken Schulter begannen. Nach zwei Untersuchungen wurde Krebs diagnostiziert und John wurde bald darauf ins Krankenhaus eingeliefert.
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Sprecher 2:
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Vermutlich rührte die Krebserkrankung von seiner Teilnahme bei den Atomversuchen am Bikini-Atoll her. Viele der Physiker, die an den Bomben arbeiteten, starben relativ jung an Krebs. Obwohl von Neumann im Krankenhaus bleiben mußte, setzte er seine Verpflichtungen fort und ließ sich eine direkte Telefonverbindung zum Kommissionsbüro schalten. Einige Male wurde er von der Ambulanz zu Sitzungen gefahren, an denen er, bereits im Rollstuhl sitzend, teilnahm. Sein letzter öffentlicher Auftritt war die Verleihung der Medal of Freedom 1956, welche Präsident Eisenhower John von Neumann bei einer feierlichen Zeremonie im Weißen Haus übergab.
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[Musik: Phillip Glass, Opening langsam einblenden.]
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Sprecherin:
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Mit fortschreitender Erkrankung wurde sein Geist, auf den er sich immer verlassen hatte, unzuverlässiger. Sein Freund Edward Teller sagte:
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O-Zitator:
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I think that von Neumann suffered more when his mind would no longer function, than I have ever seen any human being suffer.
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Sprecher 1:
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Von Neumanns Verlangen zu leben, kämpfte mit den unveränderbaren Tatsachen. Es scheint, daß er bis zum Schluß große Angst vor dem Tod hatte. Im Juni 1956 begann sich der Krebs auszubreiten. John von Neumann starb am 8. Februar 1957. Er wurde in Princeton beerdigt. Paul Halmos schrieb in seinem Nachruf:
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O-Zitator:
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The heroes of humanity are of two kinds: the ones who are just like all of us, but very much more so, and the ones who, apparently, have an extra-human spark. We can all run, and some of us can run the mile in less than four minutes; but there is nothing that most of us can do that compares to the creation of the Great G-minor Fugue. Von Neumann's greatness was of the human kind. We can all think clearly, more or less, some of the time, but von Neumann's clarity of thought was orders of magnitude greater than that of most of us, all the time.
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[Musik Ende.]
[Abspann]
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