back

Konrad Zuse – Der rechnende Raum

back

Feature-Skript von Constanze Kurz und Marcus Richter

Männliche Stimmen: Sprecher 1, Zitator, Zuse-Zitator
Weibliche Stimmen: Sprecher 2, Sprecher 3

Erste Aufführung: 11. Oktober 2006 im Hermann-von-Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin anläßlich der Tagung 70 Jahre Zuse Z1 – 25 Jahre IBM-PC des Berliner Stiftungsverbundkollegs der Alcatel SEL Stiftung.

[Raum abdunkeln.]
[Musik einblenden, kurz stehenlassen.]

Sprecher 1:

Konrad Zuse – Der rechnende Raum. Ein Audio-Feature von der Hörspiel-Werkstatt der Humboldt-Universität zu Berlin.

Erste Szene: Honoris Causa
[Musik im ersten Abschnitt ausblenden.]

Zitator:

Professor Konrad Zuse wird als Pionier der modernen Rechentechnik in der Welt hoch geehrt. Ihm war es vergönnt, den ersten vollfunktionsfähigen Rechenautomaten zu entwickeln und schon 1941 in Betrieb zu nehmen. Dabei überschattet, wie so oft, das Werk seine Schöpfer und läßt die große Persönlichkeit, den Menschen Zuse – ebenso wie die Motivation zu seiner Arbeit – hinter den Ergebnissen zurücktreten.

Sprecher 1:

Mit diesen Worten begann im März 1981 die Laudatio anläßlich der Verleihung der Würde „doctor rerum naturalium honoris causa“, die ihm vom Wissenschaftlichen Rat der Technischen Universität Dresden verliehen wurde. Mit dieser Verleihung wurde in der DDR die Informatik aus der Taufe gehoben.

Sprecher 3:

Bis Mitte der sechziger Jahre kannte weltweit kaum jemand den Mann, der in jahrelanger mühseliger Handarbeit seine Rechenmaschinen konstruierte. Als der entscheidende Meilenstein und als der erste funktionsfähige elektromechanische Rechner galt der Fachwelt bis dahin der amerikanische Mark I, den der Physiker Howard Aiken 1944 präsentiert hatte. Die Verdienste Konrad Zuses wurden auch in Deutschland erst zur Kenntnis genommen, nachdem Aiken den Deutschen fast zwanzig Jahre später, 1962, in einem Brief gewürdigt hatte.

Sprecher 1:

Die Diplome und Ehrungen, mit denen Zuse in den darauffolgenden Jahren überhäuft wurde, ergeben einen seitenlangen Computerausdruck. Darunter waren Auszeichnungen wie das Bundesverdienstkreuz mit Stern, die Ehrenprofessur der Georg-August-Universität Göttingen, Ehrendoktorwürden sowie die außerordentliche Mitgliedschaft in der US-amerikanischen Technikakademie. Die deutsche Gesellschaft für Informatik ehrt heute besondere Verdienste mit der Konrad-Zuse-Medaille.

[Musik während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
Zweite Szene: Berlin, Braunsberg, Hoyerswerda, Berlin

Sprecher 1:

Konrad Ernst Otto Zuse wird am 22. Juni 1910 im Berliner Stadtteil Wilmersdorf geboren. Der Vater Emil ist ein preußischer Postbeamter im mittleren Dienst, seine Mutter Maria arbeitet als Näherin und stammt aus Cammin in Pommern.

Sprecher 2:

Die Familie Zuse zieht 1912 mit dem zweijährigen Konrad nach Braunsberg in das damalige Ostpreußen. Er verbringt in der Kleinstadt seine Kindheit und besucht die Evangelische Höhere Mädchenschule. In seinen ersten Zeugnissen ist das Wort „Mädchenschule“ durchgestrichen, da die Schule erst kurz zuvor für Mädchen und Jungen wiedereröffnet wurde. Seine Klassenleiterin, Frau Ludwig, schreibt in sein Zeugnis eine Notiz über die Aufmerksamkeit ihres Schülers Konrad. Sie hält fest, er sei..

Zitatorin, hier Sprecher 3:

..nur in Mathematik gut, sonst oft abgelenkt.

Sprecher 1:

Als Neunjähriger kommt Konrad in das humanistische Gymnasium Hosianum, das ihn mehr und mehr langweilt und dessen Strenge er verabscheut. Viele Jahre später wird er über das Gymnasium sagen:

Zuse-Zitator:

Im stärksten Berliner Bombenkrieg habe ich nicht wieder solche Ängste ausgestanden wie in der allmorgendlichen Lateinstunde, wenn jeder bangte, ob er heute drankäme.

Sprecher 2:

1924, Konrad ist nun 14 Jahre, zieht die Familie ins schlesische Hoyerswerda, da der Vater dorthin versetzt und zum Oberpostmeister ernannt wurde. Er besucht dort ein Reform-Realgymnasium, über dessen noch junges Lehrerkollegium er später sagt:

Zuse-Zitator:

Ich muß für meine Lehrer kein sehr angenehmer Schüler gewesen sein. Ich war als Kind und als Jugendlicher ein Träumer, und meine Gedanken schweiften auch in der Schule oft vom Thema ab.

Sprecher 1:

Seine künstlerisch-technische Doppelbegabung zeigt sich früh. Konrad beginnt in dieser Zeit mit dem Zeichnen, erstellt erste Bilder und Reklameentwürfe. Er beginnt nach und nach, dicke Mappen mit Zeichnungen und mit Karikaturen seiner Mitschüler zu füllen. Ihn fasziniert aber auch sein heißgeliebter Metallbaukasten, mit dem er Kräne, Greifer und Maschinen bastelt.

Sprecher 2:

Nach seiner Abiturprüfung mit 17 Jahren, 1928, studiert Zuse an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Maschinenbau. Er wohnt bei seinen ebenfalls nach Berlin gezogenen Eltern in der Methfesselstraße im Arbeiterbezirk Kreuzberg. Gemeinsam mit ihnen diskutiert er die Frage, ob er Kunst studieren soll. Die getroffene Wahl für ein technisches Studium ist der besseren Berufsaussichten wegen gefallen. Doch Zuse ist der Studienbetrieb schnell zuwider:

Zuse-Zitator:

Wir machten meist nichts anderes als routinemäßiges technisches Zeichnen, wo ich doch etwas Schöpferisches tun wollte.

Sprecher 1:

Er entschließt sich, lieber Reklamezeichner zu werden, und verläßt die Hochschule in der beginnenden Weltwirtschaftskrise 1930. Ein Millionenheer von Arbeitslosen sucht in dieser Zeit eine Anstellung – dem Studienabbrecher mißlingt der Einstieg in ein erfolgreiches Berufsleben. Nach zwölf Monaten kehrt Zuse an die Hochschule zurück, er wechselt aber zur Architektur und wenig später zum Bauingenieurwesen, das ihm als die ideale Kombination von Ingenieur und Künstler erscheint.

Sprecher 2:

An der Hochschule wird er Mitglied der studentischen Verbindung „Akademischer Verein Motiv“. Das Theaterspielen, für das er eine natürliche Begabung hat, das Dichten und das Bühnengestalten werden durch den Verein zu einem geliebten Hobby. Doch im Widerstreit zwischen dem Ingenieur und dem Künstler Konrad Zuse sollte letztendlich der Ingenieur die Oberhand behalten.

[Musik während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
Dritte Szene: Das ewige Rechnen

Sprecher 1:

Zuse ist 23 Jahre alt, als er erstmals beginnt, sich Gedanken über den Bau eines Rechners zu machen. Der Nutzen solcher Maschinen ist für ihn naheliegend, denn die zeitraubenden Berechnungen während seines Studiums empfindet er als lästig. Obwohl Zuse die damals gebräuchlichen Rechner zur Hilfe nimmt, muß er seine Zwischenresultate jeweils schriftlich festhalten und numerieren.

Zuse-Zitator:

Eine ausgeprägte Abneigung hatte ich gegen die statischen Rechnungen, mit denen man uns Bauingenieure regelrecht quälte.

Sprecher 3:

Der angehende junge Ingenieur bekennt vor Freunden sogar:

Zuse-Zitator:

Ich bin zu faul zum Rechnen.

Sprecher 1:

Diese langwierige, immergleiche Routinearbeit soll nun ein Rechner übernehmen. Zuse nimmt aber auch an, daß solch eine Maschine leicht Kunden finden könnte. Sein Sohn sagt später:

Zitator:

Er sah einen großen Markt für Rechenautomaten.

Sprecher 2:

Als er in dieser Zeit an einem Wehrsportlager der Reichswehr teilnimmt, lernt Konrad Zuse hier eines der geheimgehaltenen Flakrichtgeräte kennen und ist beeindruckt von den zahlreichen Walzen, Spindeln und Getrieben. Diese Erfahrung ermuntert ihn, eigene Maschinen zu konstruieren. Er entwickelt kurze Zeit danach, 1934, den ersten grundlegenden Entwurf seiner rein mechanisch konzipierten Rechenmaschine, die programmgesteuert arbeiten soll.

Sprecher 3:

Nach seinem Studienabschluß als Diplomingenieur für Bauwesen im Jahr 1935 beginnt er, bei den Berliner Henschel-Flugzeugwerken als Ingenieur und Statiker zu arbeiten. Es hält ihn dort nicht lange – nach nur einem Jahr kündigt er und entschließt sich, zuhause in der elterlichen Wohnung an seinem Rechner zu arbeiten. Er richtet sich dort eine Art Werkstatt ein.

Sprecher 2:

Zuse kennt sich bestens aus in Mechanik und technischem Zeichnen, sein Wissen über Elektronik, die Konstruktionsprinzipien von mechanischen Rechenmaschinen und die mathematische Logik ist aber nicht ausreichend. Er erzählt später:

Zuse-Zitator:

Ich ging wirklich durch keinerlei Sachkenntnis getrübt ans Werk. Vorhandene Rechenmaschinen studieren? Brr – das war zu kompliziert! Wer sollte sich in diesem Gewirr von Rädchen und Zahnstangen zurechtfinden? Nein, das mußte auch einfacher gehen.

Sprecher 3:

Gemeinsam mit drei Freunden aus der Studienzeit durchforstet er Bibliotheken nach Fachliteratur und versucht, seine Wissenslücken zu schließen.

Sprecher 1:

In seiner Freizeit entwickelt Zuse einen mathematisch-logischen Aussagenkalkül. Er beschäftigt sich mit den Arbeiten von Gottfried Wilhelm Leibniz, David Hilbert und Gottlob Frege. Zuse ist überzeugt, daß das Dezimalsystem für seine Maschinen gänzlich ungeeignet sei.

Zuse-Zitator:

Überhaupt – dieses Dezimalsystem! Nur weil der Mensch zehn Finger hat, müssen wir es benutzen.

Sprecher 1:

Er sieht es als unzweckmäßig an, die Dezimalzahlen durch mechanische Äquivalente wiederzugeben, etwa durch Rädchen mit Positionen von null bis neun. Das dezimale System ist auch weit schwerer praktisch umzusetzen – und die Kosten für den Bau der Maschine hätten wohl sein ohnehin schon knappes Budget gesprengt. Er sagt:

Zuse-Zitator:

Es gehört eine Portion Unverfrorenheit dazu, auch diese Tradition über Bord zu werfen und durch die Einführung des binären Zahlensystems neue Wege zu gehen. Damit war aber der Weg gewiesen, neue Bauelemente in die Rechentechnik einzuführen: die Mittel der Fernmeldetechnik, besonders das Relais.

Sprecher 2:

Doch die Fernmelderelais sind einstweilen zu teuer, denn das Geld für die mechanischen Schaltglieder müssen sich die vier Freunde bei ihren Familien leihen. Für den Speicher brauchen sie mehrere tausend handgefertigte Metallplatten. Konrad Zuse entwirft dafür Zeichnungen, sein Freund Andreas Grohmann übernimmt die Mechanikerarbeiten. Grohmann erinnert sich:

Zitator:

Das fehlerlose Funktionieren der Maschine hing weitgehend von der Genauigkeit meiner Handarbeit ab. Ich klebte Zuses Zeichnung auf ein Sperrholzbrettchen und befestigte zwischen diesem und einem zweiten die nötigen Bleche. Dann verschraubte ich das Ganze und trennte die Form des Relais mit einer kleinen elektrischen Laubsäge heraus.

Sprecher 1:

1936 ist das mechanische Speicherwerk der Z1 genannten Maschine fertig. Zuse beginnt nun das weitaus kompliziertere Gleitkommarechenwerk, auch hier setzt er ganz auf Mechanik. Einige Monate später kann er das Rechenwerk mit dem Speicherwerk verbinden, als Antrieb dient ein Elektromotor. Der Rechner kann nun mit Lochstreifen aus Filmabfällen programmiert werden. Konrad Zuse und seine Freunde sind begeistert. Er erinnert sich später:

Zuse-Zitator:

Ich behauptete sogar, daß in fünfzig Jahren der Schachweltmeister durch eine Maschine besiegt werde, und erlernte das Spiel, weil ich es für ein Modell hielt, nach dem ich eine Programmiersprache entwickeln konnte.

Sprecher 2:

Die Z1 nimmt fast das gesamte Wohnzimmer der Zuses ein. Sie ist ein derartiges Monstrum, daß sein Mitarbeiter Andreas Grohmann sich später erinnert:

Zitator:

Sie war nicht mehr aus der Wohnung zu entfernen. Ich glaube, erst nach der Zerbombung des Hauses konnte diese Zuse-Universal-Rechenmaschine nach dem Kriege ins Museum geschafft werden.

Sprecher 2:

1938 funktioniert die Z1 bereits teilweise, als Zuse mit der Konstruktion der Maschine Z2 beginnt. Sein Freund Helmut Schreyer, ein Fernmeldeingenieur, schlägt ihm vor, anstatt elektrischer Relais Röhren für das Rechenwerk zu verwenden. Zuse entscheidet sich aber für die Verwendung von Relais.

Zuse-Zitator:

Ich hielt das damals, ehrlich gesagt, für eine seiner vielen Schnapsideen. Mit Röhren baute man Radioapparate – aber Rechenmaschinen? Andererseits, warum eigentlich nicht?

Sprecher 1:

In dieser Zeit kostet ein einfaches Relais fünf bis zehn Reichsmark. Diese Summe entspricht etwa dem Tageslohn eines einfachen Arbeiters. Zuse benötigt aber mehrere tausend Relais, wenn der Rechner eine ordentliche Leistung bringen soll. Woher soll das Geld kommen?

Sprecher 2:

Auch der Platzmangel wird zum Problem, denn jedes einzelne Relais ist mehrere Kubikzentimeter groß. Die elektromechanische Z2 würde also das gesamte Wohnzimmer füllen.

Sprecher 3:

Sie beschließen aufgrund dieser Platz- und Geldprobleme, zunächst nur ein kleineres Versuchsmodell zu bauen, das 200 Relais hat. Schreyer gelingt es, dafür billige gebrauchte Relais zu beschaffen. Im Sommer 1939 ist die Z2 fast fertig, als Hitler den Krieg beginnt.

Sprecher 1:

Konrad Zuse wird zur Wehrmacht eingezogen und zunächst zur Infanterie beordert, denn er gilt als scheinbar Unbeschäftigter. Um an seiner Maschine weiterarbeiten zu können, bemüht er sich um eine Freistellung vom Wehrdienst. Dabei wird er von Kurt Pannke unterstützt, der Zuse auch schon bei der Finanzierung der Z2 geholfen hatte.

Zuse-Zitator:

Dr. Pannke richtete an meine Dienststelle ein Urlaubsgesuch mit der Begründung, daß ich meine Arbeiten ordnungsgemäß übergeben solle. Er schrieb sinngemäß, ich arbeitete an einer großen wissenschaftlichen Rechenmaschine, die auch im Flugzeugbau verwendet werden könne.

Sprecher 2:

Das Schreiben erreicht schnell den zuständigen Bataillonskommandeur, der Zuse sofort zu sich bestellt und ihm klarmacht, warum das Ansinnen aussichtslos ist.

Zitator:

Die deutsche Luftwaffe ist tadellos, was braucht da noch berechnet zu werden?

Sprecher 1:

Zuse wird zwar kein Urlaub gewährt. Doch da der Flugzeugbau im Krieg von großer Bedeutung ist, darf er im Zuge der Förderung des Gefolgschaftserfinderwesens bei den Flugzeugwerken eine Stelle als Statiker antreten.

Sprecher 3:

Sein Beitrag zur Entwicklung von sogenanntem Heeresgerät, das als kriegswichtig eingestuft wird, ist ein Spezialrechner für die Flügelvermessung von ferngesteuerten fliegenden Bomben, die von den Henschel-Werken produziert werden. Der Rechner ermittelt die optimalen Werte für Flügel und Leitwerke. Zuses eigener Rechner, an dem er jetzt wieder abends und an den Wochenenden arbeiten kann, ist dagegen für die Nationalsozialisten nicht von Interesse.

Sprecher 2:

Im Jahr 1940 kann er seine Z2 endlich vorführen. Alfred Teichmann von der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin-Adlershof zeigt sofort sein Interesse an der Maschine. Er ist ein Experte für das Flügeflattern an Flugzeugtragflächen und weiß sofort, daß die Maschine bei der Berechnung derartiger Probleme von großem Nutzen sein kann. Er sichert Zuse finanzielle Hilfe für das Nachfolgemodell des Rechners zu.

Sprecher 1:

Hitlers Krieg hat schon halb Europa erfaßt, als er seine eigene Firma gründet, die er „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau Berlin“ nennt. Er beginnt nun, die Z3 zu konzipieren, eine vollautomatische Maschine. Sie soll programmgesteuert arbeiten und mit Lochstreifen frei programmierbar sein und auf Gleitkomma-Arithmetrik basieren.

Sprecher 2:

Die beiden Speicher der Maschine, deren Bau Zuse 1941 abschließt, sind zusammen mit den Gehäusen anderthalb Meter breit und zwei Meter hoch. Das Rechenwerk hat nochmal etwa dieselben Abmessungen. Später wird der amerikanische Historiker Paul Ceruzzi über die Z3 sagen:

Zitator:

Die Z3 war voll funktionsfähig und ein echter Allzweckcomputer.

Sprecher 1:

Der nun 30-jährige Ingenieur führt diesen Rechner mit seinen 2.600 Telefonrelais am 12. Mai 1941 einer Gruppe von Technikern der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt vor. Seine Maschine kann in der Minute zwanzig arithmetische Operationen ausführen. Die Techniker berechnen, daß sie damit die Arbeit von zwanzig Menschen leisten kann. Für die nun funktionsfähige Z3 erhält er mehrere Aufträge und verwendet sie auch als Versuchsrechner.

Zuse-Zitator:

Nun, ich hatte die Z3 ja praktisch noch in eigener Initiative gemacht, aber es gab noch einiges zu vollenden. Dann kam nachher die Z4, die verbesserte Maschine, die wurde regelrecht in Auftrag gegeben über das Reichsluftfahrtministerium mit Unterstützung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt.

Sprecher 2:

Bereits im Jahr 1942, als die Umstände kriegsbedingt immer schwieriger werden, beginnt Zuse mit der Konstruktion der Z4. Er kann zwar mehr Mitarbeiter anstellen, doch die Materialbeschaffung erweist sich als umständlich. Zuse beschäftigt 1944 zwanzig Techniker, die den Bau dennoch voranbringen sollen.

Sprecher 3:

Auf fast drei Tonnen Gewicht bringt es die Z4. Noch beeindruckender ist aber ihre geplante Rechenleistung: Sie soll über 1.000 komplexe mathematische Berechnungen pro Stunde ausführen können. Doch das Team kann die Arbeit an der Z4 vor Ende des Krieges nicht mehr in Berlin beenden. Als Mann Mitte Dreißig droht Zuse hier die Einziehung zum Volkssturm oder zur Wehrmacht.

Sprecher 2:

Die Z3 hingegen wird 1943 durch die Bomben der Alliierten vollkommen unbrauchbar, nicht einmal ein Foto der Maschine bleibt dem Erfinder – und der Nachwelt.

[Musik während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Absatz ausblenden.]
Vierte Szene: Flucht aus Berlin

Sprecher 1:

Im Januar 1945 heiratet Konrad Zuse. Wenige Wochen später muß das junge Ehepaar Berlin verlassen, denn die Luftangriffe sind eine ständige Bedrohung. Doch wohin mit der riesigen Z4? Auf viel Hilfe durch Behörden kann Zuse kaum zählen, denn er hat den Nationalsozialisten nicht den Eindruck vermitteln können, sein Computer sei ein kriegswichtiges Gerät. Anders als Alan Turing in England schraubt er seine Rechner nicht für kriegsentscheidende Zwecke zusammen, sondern arbeitet weitgehend als einsamer Bastler.

Sprecher 3:

Er hat also weniger die Angst, der Rechner könnte dem Feind in die Hände fallen, als die Befürchtung, die Maschine könnte zerstört werden, wie schon die Z3 zuvor.

Sprecher 2:

Doch er kann die Maschine nicht zurücklassen. Nur seine Pläne zu retten, genügt Zuse nicht. Er verpackt die schwere, unhandliche Z4 in viele Kisten und flüchtet mit seiner Frau und einigen seiner Mitarbeiter nach Göttingen in die Aerodynamische Versuchsanstalt.

Zuse-Zitator:

Kurz vor Ostern war ich mit der Aufstellung des Gerätes fertig und konnte vor den Professoren der Aerodynamischen Versuchsanstalt die Maschine einwandfrei arbeitend vorführen. Es war dies der Moment, auf den ich etwa zehn Jahre gewartet hatte, wo meine Arbeit endlich den gewünschten Erfolg brachte. Es war nur sehr tragisch, daß genau in diesen Tagen die Amerikaner bereits vor Kassel standen.

Sprecher 1:

So ist sein Triumph nur von kurzer Dauer, er muß wieder die Flucht ergreifen, jedoch kann er erneut die halbfertige Rechenmaschine in Einzelteilen in vielen Kisten auf einem Lastwagen verstauen.

Zuse-Zitator:

Ich entschloß mich schweren Herzens, das eben mit Mühe aufgebaute Gerät wieder abzubauen, in aller Eile zu verpacken und mit der ganzen Belegschaft abzurauschen.

Sprecher 1:

Sie fliehen über die Dörfer Richtung Süden. In dem Dorf Katlenburg bei Northeim finden sie eine Bleibe bei Bauern. Doch es ist kein Ende der Flucht abzusehen:

Zuse-Zitator:

Der Amerikaner war hier nur noch dreißig Kilometer entfernt, und da wir immer noch an ein Wunder glaubten, kamen wir uns in unserer Lage so halb als Deserteure vor. Ich fand eine Dienststelle, die so tat, als wenn sie noch Verwendungsmöglichkeiten für uns hätte. Wir sollten unser Gerät auf einen Güterzug verladen mit unbekanntem Ziel.

Sprecher 1:

Zuse darf den nun leeren Lastwagen behalten und fährt mit der Gruppe auf der Autobahn nach Süden, in der Tasche einen Fahrtbefehl nach Oberammergau.

Zuse-Zitator:

Es war dies eine grauenhafte Fahrt. Zu beiden Seiten der Autobahn brennende Städte und Bombenangriffe. Auf der Autobahn selbst brennende Wracke und Hindernisse aller Art. Eine Unmenge von Landsern und anderen Personen belagerten die Fahrzeuge und wollten mitgenommen werden.

Sprecher 2:

Als Zuse endlich in Oberammergau ankommt, stellt er fest, daß sich die Dienststelle bereits in Auflösung befindet.

Zuse-Zitator:

Es wurde uns klar, daß wir mit unserem Ehrgeiz, bis zum letzten auf unserem Posten zu stehen, die Dummen gewesen waren. Die Dienststellen wollten uns auf elegante Art loswerden und uns in ein Massenquartier abschieben. Vielleicht wäre das nicht so schlecht gewesen, denn wir hätten dann zu den Leuten gehört, die als Wissenschaftler geschlossen nach den USA gekommen sind, aber so etwas konnte damals keiner voraussehen.

Sprecher 3:

Zuse versucht auf eigene Faust, sich und seine Maschine zu retten. Es gelingt ihm, sie unauffällig in einem Verschlag im bayrischen Dorf Hinterstein zu lagern. Die Dorfbewohner stehen ihm zunächst ablehnend gegenüber:

Zuse-Zitator:

Gleichzeitig mit uns war eine Gruppe von SS-Leuten nach Hinterstein gekommen und hatte dort Quartier gemacht. Die Bevölkerung brachte uns unwillkürlich mit diesen Leuten in Verbindung, wodurch die an sich schon schroffe Ablehnung noch schärfer wurde, aber schließlich konnten wir unsere Quartiersleute beruhigen und unsere Harmlosigkeit einigermaßen glaubhaft machen. Mein Geröt spukt allerdings heute noch bei der Hintersteiner Bevölkerung als mysteriöse Höllenmaschine herum.

Sprecher 1:

Ende Juni 1945 scheint die geglückte Flucht jedoch ein bitteres Ende zu nehmen. Die französischen und marokkanischen Besatzungstruppen beginnen, Städte und Dörfer nach Lebensmittelvorräten und Vieh sowie anderem Wertvollen zu durchkämmen. Auch im dörflichen Hinterstein nehmen die Franzosen Hausdurchsuchungen und Requisitionen vor.

Zuse-Zitator:

Auch die Werkstatt, in der das Gerät stand, wurde geplündert. Das Gerät blieb jedoch unbeachtet und unversehrt.

Sprecher 1:

In den ersten Monaten nach Ende des Krieges ist nicht daran zu denken, den Bau der Z4 fortzusetzen. Stattdessen nutzt Zuse seine in der Studienzeit erlernten Talente als Maler und Holzschnitzer, um seiner Familie ein Auskommen zu ermöglichen. Seine Frau Gisela erwartet ein Kind, so ist der werdende Vater in dieser Zeit zudem stets auf der Suche nach Lebensmitteln.

Zuse-Zitator:

Die Beschaffung von Nahrungsmitteln bestimmte unser Leben, wir aßen sogar Schnecken, Brennesseln und Löwenzahn.

[Musik einblenden.]
Fünfte Szene: Start-Up in der Scheune
[Musik langsam leiser werdend.]

Sprecher 1:

Seine Rechenmaschinen lassen Konrad Zuse nicht los. Im Jahr 1946 gründet er in Hopferau im Allgäu ein Ingenieurbüro. Er holt die Kisten mit der auseinandergebauten Z4 aus dem Schuppen und beginnt, den Transportschaden abzuschätzen. Zuse entscheidet sich, die Maschine wiederaufzubauen. Er denkt auch über die Neugründung seiner früheren Firma und die Einstellung von Mitarbeitern nach:

[Musik aus.]

Zuse-Zitator:

Ich sehe doch, daß damit vielleicht vielen geholfen wäre. Wie weit allerdings eine Wiederaufnahme der Arbeit in Berlin ratsam ist, möchte ich erst abwarten. Die hohen Herren sollen sich am Konferenztisch erst einmal über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands einig werden.

Sprecher 2:

Gemeinsam mit seinem ehemaligen Studienkollegen Harro Stucken, gründet er 1947 das Zuse-Ingenieurbüro. Er wendet sich den praktischen Problemen der Programmierung der Maschine zu. Konrad Zuse erkennt früh die Bedeutung der logischen Grundoperationen. Mit der von ihm Plankalkül genannten Programmiersprache nimmt er die erst einige Jahre später folgenden Bemühungen um eine allgemeine Programmiersprache vorweg.

Sprecher 1:

Der Darmstädter Professor Alwin Walther schlägt ihm kurz darauf vor, die theoretischen Erkenntnisse zur mathematischen Logik und zur Schaltalgebra als eine Dissertation zusammenzufassen. Das Vorhaben bleibt jedoch unverwirklicht, denn Zuse nimmt an, seine Forschung sei nicht von allgemeinem Interesse.

Sprecher 2:

Auch die Frage, ob er seine Maschinen im kriegszerstörten Deutschland verkaufen kann, beschäftigt Zuse in dieser Zeit:

Zuse-Zitator:

Es wäre natürlich mein Ideal, in Deutschland für das Ausland Geräte zu bauen, aber es fragt sich, ob das technisch überhaupt bald möglich sein wird. Aber einfach nach England oder Amerika zu gehen, ist nicht mein Ideal.

Sprecher 3:

Mit Alfred Eckhard kommt ein weiterer ehemaliger Studienkollege hinzu, der im hessischen Neukirchen eine alte Scheune gefunden hat, die als Produktionsstätte ausgebaut werden soll. Im Jahr 1949 heben die drei Ingenieure die Zuse Kommanditgesellschaft aus der Taufe. Von anfänglich nur fünf Mitarbeitern steigt die Anzahl der Belegschaft schnell auf etwa vierzig an. Das Produkt heißt Z4 – der erste kommerziell ausgelieferte Computer der Welt.

Sprecher 2:

Seine erste Z4, die nach der langwierigen Reparatur nun einwandfrei funktioniert, stellt Konrad Zuse der Eidgenössichen Technischen Hochschule in Zürich zur Verfügung. Der dortige Professor Eduard Stiefel ist schon einige Zeit auf der Suche nach einem Computer für sein Institut für Angewandte Mathematik. Sein Mitarbeiter Ambros Speiser erinnert sich:

Sprecher 1:

Er schickt also zwei seiner Mitarbeiter in die USA, wo sie sich von Howard Aiken darüber beraten lassen sollen, welche Maschine für den Betrieb an der ETH am geeignetsten sei. Aiken empfiehlt den Erwerb eines damals zukunftssicheren Röhrenrechners.

Sprecher 2:

Stiefel setzt sich dennoch dafür ein, Zuses in ganz Europa einzigartige programmgesteuerte Maschine an die Hochschule zu holen. Noch in der Scheune unterschreibt er den Leasingvertrag. Die 30.000 Franken Mietgebühr sichern ihm nun die Nutzung des Rechners für fünf Jahre – und Zuses junger Firma den ersten Umsatz. In Europa ist die Zuse KG das erste Unternehmen, das große Rechenanlagen in Serie fertigt.

Sprecher 1:

Die Z4 hat gegenüber den Röhrencomputern aus Amerika für Eduard Stiefel einen ganz entscheidenden Vorteil: das sogenannte Planfertigungsteil. Damit können mathematische Formeln sehr einfach und unter Verwendung der üblichen mathematischen Zeichen in den Rechner eingegeben werden, ohne daß das Studium einer maschinenlesbaren Notation notwendig ist.

Sprecher 3:

Fortan arbeitet die Z4 in den fünf Jahren fast ununterbrochen in Zürich. In der Schweizer Stadt ist der Betrieb einer solchen Maschine eine regelrechte Sensation, manche Zeitzeugen behaupten sogar:

Zitator:

Das Rattern von Zuses Rechner ist das Aufregendste, was das Züricher Nachtleben derzeit zu bieten hat.

[Musik kurz stehenlassen und während des nächsten Absatzes ausblenden.]
Sechste Szene: Meilensteine

Sprecher 1:

Die Zuse KG hat sich nun ein hervorragendes Startkapital erwirtschaftet, das sogleich in den Ausbau des Unternehmens und die Entwicklung neuer, besserer Maschinen investiert wird.

Sprecher 2:

Der nächste Großauftrag kommt von Ernst Leitz, einem Hersteller für optische Linsen. Er bestellt einen Rechner zur Bewältigung der immensen Berechnungen, die beim Entwurf optischer Systeme anfallen. Die daraufhin entwickelte Z5 ist mit einer Länge von zwölf Metern und einer Höhe von zweieinhalb Metern der größte Rechner, den die Zuse KG je gebaut hat. Während der Produktion ist die Rechenmaschine den Mitarbeitern so ans Herz gewachsen, daß sie die Z5 am Tag der Auslieferung mit einer kleinen Feier und einem Ständchen verabschieden.

Sprecher 1:

Neben diesen Maschinen für die optische Industrie verkauft die Zuse KG nun auch Rechenlocher für die Firma Remington Rand sowie Spezialgeräte für Landvermessungsämter. Die Auftragslage ist so gut, daß die Firma immer weiter wachsen und sich mit der Entwicklung neuer Modelle beschäftigen kann.

Sprecher 2:

Konrad Zuse gilt in seiner Firma als freundlicher Chef, da er seine Angestellten nicht unnötig antreibt und auf den häufig spontan organisierten Betriebsausflügen für so manchen Spaß zu haben ist.

Zitator:

Bei einem der Ausflüge wurde er von Alfred Eckhard mit den Worten Du traust dich nicht! solange aufgezogen, bis er sich an der Ehre gepackt fühlte und in voller Kleidung in das Becken des angrenzenden Schwimmbades sprang. Noch heute denkt mancher allerdings, daß die Einlage schon als Spaß geplant worden war, da sich keiner so recht erklären konnte, wie der Chef so schnell wieder an neue, trockene Sachen gekommen war.

Sprecher 2:

Im normalen Arbeitsalltag ist Zuse nur selten in den Produktionsräumen zu sehen, da er die meiste Zeit in seinem Konstruktionsbüro verbringt. Die Mitarbeiter sehen ihren Chef nur, wenn der Ingenieur eine neue Idee hat.

Zitator:

Dann kam Zuse in die Werkstatt und präsentierte dem zuständigen Mitarbeiter schnell und eilig einige kleine Bleistiftskizzen, die letzterer aber meist nur in Ansätzen verstand. Er mußte sich oft längere Zeit in die Skizzen vertiefen, um herauszufinden, wie der Chef das wohl gemeint hatte.

Sprecher 1:

Der Markt für Rechenmaschinen wächst beständig – und mit ihm die Absatzzahlen und die Anzahl der Mitarbeiter. Wegen der guten Auftragslage ist die Firma so stark gewachsen, daß 1957 ein Umzug auf ein größeres Firmengelände notwendig wird. Zeitgleich entsteht der erste Röhrenrechner der Zuse KG, die Z22. Diese Rechenmaschine wird als erster in Serie gefertigter Röhrenrechner ein Meilenstein des deutschen Rechnerbaus. Die neuartige Bauweise ist ein gewaltiger Fortschritt für die Firma, der dazu führt, daß wiederum neue Mitarbeiter angestellt werden müssen, da für die Verarbeitung und Konstruktion mehr Elektronikfacharbeiter und -ingenieure benötigt werden.

Sprecher 2:

Viele der führenden Mitarbeiter sind ununterbrochen mit der Arbeit beschäftigt und lassen sich auch durch wichtige Ereignisse nicht davon abhalten. Otto Suppes, der damalige Chefprogrammierer, hilft zum Beispiel während der Geburt seines Kindes bei der Fehlerkorrektur aus.

Zitator:

Es geht nun auf Mitternacht zu. Meine Frau liegt in den Wehen. Wir erwarten unser viertes Kind, eine Hausgeburt, Hebamme und Arzt sind schon da. Da klingelt das Telefon. „Der Arzt wird jetzt irgendwohin abgerufen“, denke ich. Aber nein, weit gefehlt! Es ist Herr Mußtopf, ein Kollege aus Hamburg, der noch ein Programm auf der Z22 bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken austestet.

Sprecher 2:

Vor den staunenden Augen der Geburtshelfer erläutert Chefprogrammierer Suppes, welches Bauteil, er nennt es „ein Flipflop“, für den Fehler beim Fehlverhalten des Maschinenbefehls „PPQQ“ verantwortlich sein könnte. Der erste Anruf nach der Geburt übermittelt diesmal nicht die üblichen Glückwünsche:

Zitator:

Kaum hat der Junge den ersten Schrei getan, klingelt das Telefon wieder: „Ich wollte nur vermelden: PPQQ geht!“ Der Neugeborene war für sein Leben gezeichnet. Er studierte später Mathematik und Informatik.

Sprecher 1:

An der Entwicklung der Z22 und anderer elektronischer Rechner ist der Firmenchef Konrad Zuse nicht mehr direkt beteiligt. Die Zuse KG ist so stark gewachsen, daß der gelernte Ingenieur seine Aufgabe nun vor allem darin sieht, seine Firma in der Öffentlichkeit zu repräsentieren, Kontakt zu Firmen und Nutzern zu halten und neue Kunden zu gewinnen.

Sprecher 2:

Die Konstruktion der Z22 hat Konrad Zuse bereits einige Jahre zuvor noch selbst begonnen. Er plant die Röhrenmaschine als eine preiswerte Alternative zur der US-amerikanischen IBM 650.

Sprecher 1:

Kunden sind besonders die Universitäten in ganz Europa, die den 180.000-Mark-Rechner nutzen wollen. Die Technische Universität Berlin erhält das erste Exemplar. Fünfzig dieser Maschinen kann die Zuse KG verkaufen. Anfang der sechziger Jahre steigt der Jahresumsatz auf fast 25 Millionen Mark. Mit 1.000 Mitarbeitern ist die Zuse KG auf dem westdeutschen Markt nun ein ernsthafter Konkurrent von IBM.

[Musik während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
Siebte Szene: Verpaßte Chancen

Sprecher 1:

Der Absatz von Computern steigt unvermindert an. Der gute Ruf, den die Zuse-Rechner erlangt haben, und der äußerst günstige Preis der Maschinen sorgen weiter für Aufwind. Die IBM 650 kostet über eine Million Mark, während die Z22 schon für unter 200.000 Mark zu haben ist. Infolge der großen Nachfrage müssen die Produktionsstätten abermals erweitert werden.

Sprecher 2:

Der nächste große wirtschaftliche Erfolg ist die Z25, die vor allem zusammen mit dem rechnergesteuerten Zeichengerät Graphomat Z64 verkauft wird. Die damit angefertigten geometrischen Zeichnungen sind für die damaligen Verhältnisse von einzigartiger Genauigkeit. Beim Bau der Z25 kommt es aber zu einer größeren Panne, welche einer der Gründe ist, warum die Zuse KG ab 1964 zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

Sprecher 1:

Ein in der Z25 verwendeter Transistor muß mit Hilfe einer speziellen Löttechnik eingebaut werden, ein Fakt, der zuvor niemandem in der Firma bekannt ist. Zu allem Überfluß treten die dadurch verursachten Fehler erst nach einiger Zeit auf, so daß eine Korrektur erst vorgenommen werden kann, als die ersten Maschinen schon im Bau sind. Der daraus resultierende achtwöchige Produktionsstop und die Ausgaben für die Fehlerbehebung und verspätete Auslieferung verursachen Kosten in Höhe von mehreren Millionen Mark.

Sprecher 2:

Weitere Verluste macht die Zuse KG auch mit der Entwicklung der als „Kleiner Tischrechner“ geplanten Z31. Die Entwickler überfrachten den Rechner mit vielen Funktionen und technischen Rafinessen, so daß statt eines erhofften Büro-Computers für Kaufmänner nun ein Großrechner von erheblichen Ausmaßen entsteht. Es werden nur sieben Stück verkauft. Die hohen Entwicklungskosten lassen sich so nicht decken, sie reißen ein weiteres Loch in das Finanzpolster der Firma.

Zuse-Zitator:

Die Z31 war für die Zuse KG eine Verirrung und möglicherweise eine verpaßte Chance, wie man rückblickend sieht.

Sprecher 1:

Neben diesen internen Problemen tragen auch externe Faktoren zur zunehmend schwierigen Lage der Firma bei. Der Konkurrent IBM beschränkte sich in Europa darauf, seine Rechenanlagen zu vermieten. Ein relativ kleiner monatlicher Leasing-Betrag ist für viele Kunden eine finanziell günstigere Alternative als der Kauf eines Rechners. Zudem waren die Firmen durch Wartungsverträge an die IBM gebunden und hätten nur unter großem Aufwand den Anbieter wechseln können. Doch die Zuse KG kann dieses Geschäftsmodell des amerikanischen Monopolisten nicht nutzen, da sie nicht über die notwendigen Geldmittel verfügt, um den Bau von Maschinen vorzufinanzieren.

Sprecher 2:

Die noch junge Transistortechnik tritt in dieser Zeit langsam, aber unaufhaltsam ihren Siegeszug an – auch die programmgesteuerten Maschinen Z23 und Z31 arbeiten bereits mit Transistoren. Raul Rojas meint rückblickend jedoch:

Zitator:

Die Zuse KG hat den Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik nicht rechtzeitig geschafft.

Sprecher 2:

Neben der technischen Entwicklung belastet auch eine ungeklärte Patentsituation Zuse. Insgesamt 26 Jahre lang führt er wegen des ihm wichtigsten Patents, nämlich das der Z3, einen Rechtsstreit. Erst 1967 gibt das Deutsche Patentamt einen Bescheid auf Zuses Antrag, seine Rechenmaschine zu patentieren – er ist abschlägig. In der Urteilsbegründung des Amtes heißt es, daß..

Zitator:

..eine patentwürdige Entdeckung nicht vorliege.

Sprecher 1:

Aus der Ablehnung läßt sich nach den Worten von Wilhelm Mons schlußfolgern:

Zitator:

Aufgrund der schon in der Literatur der letzten hundert Jahre veröffentlichten Teilideen hätte nach Auffassung des Patentamtes ein „durchschnittlicher Fachmann“ die Rechenmaschine Konrad Zuses entwerfen können. Es hätte dazu keiner besonderen schöpferischen Kraft bedurft.

Sprecher 1:

Da die Banken der Zuse KG aufgrund ihrer finanziellen Schieflage keine Kredite mehr geben wollen, werden gezwungenermaßen Teilhaber ins Boot geholt. 1965 übernimmt schließlich die Computerfirma Brown Boveri alle Geschäftsanteile. Ihr gelingt es jedoch nicht, die Entwicklungsabteilungen und die schöpferische Kraft der beiden Firmen zu verbinden, so daß die Zuse KG bald wieder abgestoßen werden muß. Als daraufhin eine amerikanische Firma Interesse bekundet, wendet sich der Generalvertreter der Zuse KG an den damaligen Finanzminister Franz-Josef Strauß.

Zitator:

Es gibt in Preußen eine interessante Computerfirma, die wir in deutschen Händen halten müssen.

Sprecher 2:

Als Konrad Zuse später nach den Gründen befragt wird, warum keine amerikanische Firma die Zuse KG übernommen habe, sagt er:

Zuse-Zitator:

Vielleicht gab es da am Ende Einflüsse auf politischer Ebene. Jemand könnte gesagt haben, daß ein Verkauf dieser deutschen Entwicklungen an die Vereinigten Staaten lieber nicht passieren sollte.

Sprecher 1:

Nach einem persönlichen Kontakt zwischen Strauß und seinem Freund, dem Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, übernimmt Siemens 1967 die Firma. Der Betrieb wird zwar noch weiter ausgebaut, doch der nun entwickelte Rechner, die Z43, wird bereits unter dem Namen Siemens 404/3 verkauft.

Sprecher 3:

Nachdem sich Siemens die Zuse KG mit ihren 1.200 Mitarbeitern einverleibt hat, wird Konrad Zuse 1969 in den Ruhestand geschickt. Er ist noch keine 60 Jahre alt. Im Jahr 1971 wird der Firmenname aus dem Handelsregister gelöscht. Sein Sohn Horst faßt die damalige Situation des Vaters zusammen:

Zitator:

Es war ein Desaster.

[Musik während des Übergangs stehenlassen und im nächsten Abschnitt ausblenden.]
Achte Szene: Kunst und Technik

Sprecher 1:

Neben seiner vertraglichen Beratertätigkeit hält Konrad Zuse nun Vorlesungen und Vorträge. Zuhause in seinem Einfamilienhaus in Hünfeld nimmt er sein Hobby, die Malerei, wieder auf, anfangs unter dem Pseudonym Kuno See. Später signiert er seine expressionistischen, surrealistischen und abstrakten Bilder mit seinem richtigen Namen. In einem Interview 1989 bemerkt der hochgewachsene, nun weißhaarige Mann mit der auffälligen, dicken Hornbrille zu einem Journalisten über seine lebenslang konkurrierenden technischen und künstlerischen Neigungen:

Zuse-Zitator:

In meiner Jugend wußte ich nicht, was mir lieber war – Bilder oder Computer. Nachdem ich mich jahrelang auf Mathematik und Technik konzentriert habe, genieße ich es nun, auf einem Stück Leinwand etwas Neues zu schaffen.

Sprecher 3:

Zur Ruhe gesetzt hat sich Konrad Zuse längst nicht. Selbst im 85. Lebensjahr arbeitet der Ingenieur noch an einem ausfahrbaren Turm, der in Windenergieparks eingesetzt werden soll. Sein Leben endet am 18. Dezember 1995 – mitten in kreativen Ideen für neue Tüfteleien.

Sprecher 2:

Konrad Zuse hatte die Entwicklung neuer Rechner Zeit seines Lebens aufmerksam verfolgt. 1989 sagte er über die damaligen Computer, die nun bereits weit über seine eigenen Konstruktionen hinausgewachsen waren:

Zuse-Zitator:

Ursprünglich wollte ich nur ein Instrument schaffen, das den Menschen zeitraubende Berechnungen abnimmt und ihnen so das Leben erleichtert. Ich dachte nicht an die sozialen, wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, die der Computer uns inzwischen beschert. Weiter vervollkommnet, wird er noch viele Geheimnisse entschleiern und so manche komplizierten Probleme unserer Welt lösen – zum Wohle der Menschheit.

Sprecher 3:

Auf die ihm oft gestellte Frage nach der Ohnmacht der Menschen gegenüber dem Computer antwortete Konrad Zuse:

Zuse-Zitator:

Wenn die Computer zu mächtig werden, dann zieht den Stecker aus der Steckdose.

[Pause. Dann Musik einblenden.]
[Musik Ende.]
[Abspann.]

Die Live-Aufführung wurde mit Bildern, Animationen und Filmen via Videobeamer und Computer visuell untermalt, ebenso erschienen Text-Einblendungen für die Namen der jeweiligen Szenen. Konrad Zuses Sohn Horst hat leider nicht zugestimmt, daß wir die Bilder weiterhin verwenden dürfen.

Dieses Skript ist als pdf nur ohne Bilder erhältlich.

Das komplette mp3 (46,9 MB) des Features kann gern unter Maßgabe der Creative Commons Lizenz Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Germany verwendet werden. Sofern es für Unterrichtszwecke benutzt wird, würden wir uns über ein Feedback freuen.


Hier ist das Video des Live-Features, das beim 23c3 live gespielt wurde.


Creative Commons
Some rights reserved.